Marcel Backhaus Architekt
Projektsteckbrief
Projektname: Biologiezentrum der Universität Wien
Auftraggeber: Öffentlicher Auftraggeber, Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H.
Lage / Ort: Wien, Österreich
Leistung: LP 2-7 Generalplanung
Chiara Liebner Architekten GmbH in Arge mit Vasko+Partner Ingenieure GesmbH
Projektzeitraum:
LP 2-4 07/17 – 03/18
LP 5-8 03/18 – 12/21
Baukosten: 146 Millionen Euro
Nutzfläche: 21.036 m²
Umbauter Raum: 170.975 m³
Preise: 1. Preis EU-weiter, offener Architekten- und Generalplanerwettbewerb
Nachhaltigkeit: Klimaaktiv Silber Zertifizierung
Das Projekt gliedert sich in einen in Nord-Süd-Richtung erstreckten, angehobenen 4-geschossigen Baukörper über einer 2-geschossigen Sockelzone. Diese Dualität spiegelt die Unterteilung des Gebäudes in zwei große Bereiche wider: einen öffentlichen Bereich mit Bibliothek, Mensa, Hörsälen, Unterrichtsräumen im Sockel und einen beschränkt öffentlichen Bereich mit Labors, umfangreichen Bürozonen und weiteren Arbeitsbereichen darüber. Der Sockel zeigt zur Schlachthausgasse wichtige Einblicke in das universitäre Leben, im Besonderen in Bibliothek und Seminarräume. Nach Westen, in Richtung der Erne-Seder-Gasse, wird die Strenge des Baukörpers durch vier flache Volumen aufgelöst, die in die Freiflächen ragen und eine Verwebung mit den Außenbereichen in der Art eines Campus bewirken. Die Mall ist als übersichtliche Halle dimensioniert, von der aus die Verteilung aller Wege im Haus seinen Anfang nimmt. Hier sind alle aktiven „kommunikativen“ Funktionen versammelt.
Karsten Liebner Architekt
Im Sinne einer identitätsstiftenden Einordnung des neuen Baukörpers in den Stadtteil St. Marx wird bei der Fassadengestaltung das Klinkerthema der Marxhalle in moderner Verarbeitung aufgegriffen, ergänzt durch hellen Sichtbeton mit einem Zusatz von Weißzement in der Horizontalen zwischen Sockel und Forschungsriegel sowie in den plastischen, pilzförmigen Stützen unter der Auskragungen und im Foyer. Die plastisch geformten Stützen schaffen im Foyer-Innenraum einen eigenen Landschaftscharakter, quasi als „bauliche Pflanzen“. Das Foyer wird als Fortsetzung des Stadtraumes begriffen.
Die Außenflächen werden als offener Campusplatz im Sinne einer Stadtlandschaft interpretiert, in der das Haus eingebettet ist.
Neben der Architektur lag ein weiterer Focus auf der Nachhaltigkeit des Gebäudes. Dies wurde durch die Klinkerfassade als langlebige, robuste und sehr gut recyclefähige Fassadenoberfläche, den Verzicht auf PVC und durch ein Innovatives Haustechnikkonzept erreicht. Durch die Wärmerückgewinnung aus der Laborabluft konnte rund ein Drittel des Wärmebedarfs im Vergleich zu herkömmlichen Laborgebäuden erreicht werden.
Die Bündelung und Integration der Installation in den tragenden Bauteilen ermöglicht ein Höchstmaß an Flexibilität wodurch die Nutzungsdauer des Gebäudes erwartbar gesteigert werden kann.
Die Integration der technischen Anlagen auf dem Dach in die Architektur des Hauses wurde durch eine elegante und leichte Lamellenkonstruktion realisiert.
Das Gebäude mit der markanten Fassade aus 400.000 Klinkersteinen wurde nach den Plänen der Berliner Architekten Karsten Liebner und Marcel Backhaus realisiert. Die Nutzfläche beträgt 19.000 m², die Bruttogeschoßfläche 40.000 m². In den unteren Stockwerken sind mit einer großzügigen Fachbibliothek, die sich mit einer Glasfassade in Richtung Schlachthausgasse öffnet, zweistöckigen Hörsälen, Seminarräumen und einer Mensa mit Terrasse die Bereiche für die Studierenden untergebracht. Sie werden an modernsten, barrierefreien Laborarbeitsplätzen studieren. Geforscht wird vom zweiten bis zum fünften Stock; die Laborflächen machen rund 40 Prozent des Gebäudes aus. Die rote Klinkerfassade greift die aktuelle (Marxhalle) und historische (Schlachthöfe) Architektur der Umgebung auf und stellt gleichzeitig einen Bezug zu dem Prototyp amerikanischer CampusUniversitäten her. Im Inneren finden sie ihren Gegenspieler im nüchtern-eleganten Sichtbeton. Die Sockelzone ist verglast, was ein großzügiges und helles Foyer schafft. In Richtung der viel befahrenen Schlachthausgasse wirkt das Gebäude geschlossen, wertet die Straße aber mit einem Blick in die helle und freundliche Bibliothek auf. In die andere Richtung liegen Höfe und Grünflächen, die bis ins Gebäudeinnere wirken, ein Gewächshaus samt Versuchsgarten und eine Werkstatt. Die Grünflächen und die Mensa sind genauso öffentlich zugänglich, wie das Kunst-am-Bau-Projekt "Vivarium St. Marx", geschaffen vom amerikanischen Künstler von Mark Dion, das sich plakativ mit der Repräsentation von Natur auseinandersetzt.
Erstes Laborgebäude in Wien mit Wärmerückgewinnung aus Laborluft Bei der Planung des Biologiezentrums achtete man besonders darauf, ein klimafreundliches Universitäts- und Forschungsgebäude zu konzipieren. Das begann beim Grundriss, der so flexibel wie möglich geplant wurde. Die Größe der Räume kann angepasst werden, weil die Zwischenwände installationsfrei sind, Laborflächen können in Büros umfunktioniert werden und umgekehrt. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, dass das Gebäude möglichst lang genutzt werden kann, was ein wesentlicher Faktor für den Klimaschutz ist. Auch bei der Wahl der Materialien achtete man auf Klimafreundlichkeit. Eine Klinkerfassade ist enorm widerstandsfähig und damit besonders nachhaltig, da sie über Generationen praktisch wartungsfrei ist. Es wurde zertifiziertes Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft verbaut und weitgehend auf PVC verzichtet. Und erstmals wird in Wien bei einem Forschungsgebäude die Laborabluft zur Wärmerückgewinnung genutzt, sodass mindestens 30 Prozent der benötigten Wärme im Vergleich zu einem herkömmlichen Laborgebäude eingespart werden können. Das Biologiezentrum soll mit klimaaktiv Silber deklariert werden.
Veröffentlichungen: architektur aktuell 7-8 2022 ORF 8.10.2021 APA (Austrian Presse Agentur) 02.06.2021 Wettbewerbe Aktuell 7/2017 Competitionline.de 11.04.2017 und weitere